Jenseits der Liebe
Heiraten als Schlussfigur der Ordnung in Romanen des 19. Jahrhunderts*

Nach der Hochzeit gibt es nichts mehr zu erzählen, darum endet der Roman. Betrachtet man die deutsche Romanproduktion des 19. Jahrhunderts ist diese Feststellung gewiss richtig, aber auch ein wenig zu kurz gedacht. Die Heirat, die am Ende der meisten Romantexte des 19. Jahrhunderts steht, ist in dieser Literatur viel mehr als stilistische Konvention oder narrativer Kniff, um den Ausstieg aus der Erzählung in einer den Leser überzeugenden Weise zu inszenieren. Denn vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Familien-, Ehe- und Gesellschaftsdiskurses erscheint die Hochzeit noch in einem ganz anderen Licht: Sie erweist sich als manifestierter Wunsch nach sozialer Ordnung in einer aus den Fugen geratenen Welt.

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Die Romangeschichte des 19. Jahrhunderts als eine Abfolge von Hochzeiten zu erzählen, dürfte nicht weiter schwerfallen. Schließlich war es derart en vogue, das Ende einer literarischen Reise durch eine Heirat zu markieren, dass selbst Therese Hubers Die Ehelosen (1829) mit einer endet1 – und das, obwohl die Autorin in ihrem programmatischen Vorwort erklärt, sie wolle zeigen, wie die Jungfrau ohne Heirath sich einen genügenden Wirkungskreis schaffen kann.2 Dass gerade in den mittleren vier Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts am Ende eines Romans besonders häufig geheiratet wird, wirft unweigerlich die Frage nach dem Warum auf. Die Vermutung, es handle sich hierbei um ein Relikt des Bildungsromans, eines der dominantesten Romantypen in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts, würde gewiss zu kurz greifen. Zwar kann die Heirat auch Signum für den Abschluss der Persönlichkeitsbildung sein, sie kann dafür stehen, dass das Individuum seinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat. Dass sich der Topos nicht nur in Bildungs-, sondern auch in Revolutions-, Sozial- und Liebesromanen findet, zeigt indes, dass hier nicht allein die Folgen einer formalen Konvention zu beobachten sind. Tatsächlich scheint es bei der narrativen Schlussfigur des Heiratens3 vornehmlich um die Evokation familialer Ordnungsmuster zu gehen, die in mehrerlei Hinsicht für ein ordentliches Ende der Erzählung bürgen.4

Heiraten im Roman

»Dein«, Holzschnitt einer Eheschließung von 1866
Abb. 1: Dein, Holzschnitt einer Eheschließung von 1866 aus dem Familienblatt Die Gartenlaube. Das Bild gehört zu einer vierteiligen Serie mit den Bildtiteln Mein, Dein, Unser, Juchhe! Die Serie soll eine oberhessische Dorfgeschichte darstellen. (Quelle)

Wenn es ums Heiraten geht, zeichnen sich die Erzähler zumeist durch lakonische Zurückhaltung aus. An der Textoberfläche ist die Eheschließung eher etwas, das zwar notiert gehört, aber nicht unbedingt durch ein Defilee festlich gekleideter Damen und Herren ausgeschmückt werden muss. Typischerweise ist das Ganze in eine abschließende Coda eingebunden, die das Schicksal des Romanpersonals jenseits der erzählten Zeit gedrängt zusammenfasst. In Robert Prutz’ Sozialroman Das Engelchen (1851) konstatiert der Erzähler bspw. kurz und knapp, was das Herz der Leser ihnen bereits gesagt habe, dass zwei der Hauptfiguren nun ein durch Liebe beglücktes, beglückendes Paar mit Kindern seien.5 Nur weniger Worte, auf nur einer Seite bedarf es in Adolf Schirmers Ein Familiendämon (1863), um die Zukunft der Hauptfiguren zu beschreiben, zu der selbstredend auch eine Heirat gehört (Bülow warb um Agnes, und nicht vergebens).6 Und in Handel und Wandel (1850) von Friedrich Wilhelm Hackländer schreibt der autodiegetische Erzähler, kurz bevor er seine Lebenserzählung schließt, über seine bisherige Geliebte ganz nebenbei, daß in diesem Augenblick Emma, meine Frau, ins Zimmer tritt.7 Die Autoren Levin Schücking (in Der Held der Zukunft von 18558) und E. Marlitt (in Goldelse von 18669) bedienen sich gar eines expliziten Zeitsprungs, nach dem der Leser die zuvor noch unverheirateten Pärchen als Eheleute wiederfindet. Häufig wird eine in naher Zukunft zu erwartende Heirat der Hauptfiguren auf den letzten Seiten aber nur angedeutet. So zum Beispiel in Gustav Freytags Soll und Haben (1855), wo dem Protagonisten sowohl der Eintritt als Kompagnon ins Geschäft seines langjährigen Prinzipals als auch die Ehe mit dessen Schwester und stillen Teilhaberin versprochen wird.10

Eingehender erzählt wird eine Trauung zumeist nur dann, wenn bei ihr Regelverstöße zu beobachten sind. Ein solcher findet sich beispielsweise in Oswald Tiedemanns Liebesroman Herzblut (1855). Hier stürzt sich am Ende des ersten von zwei Teilen eine unglückliche Braut, die im Moment des Ringtauschs von einem Wahnsinnsanfall erfasst wird, in einen Brunnen und stirbt vor den Augen der Hochzeitsgesellschaft – unverheiratet.11 Die große Masse der Romane scheut freilich davor zurück, Dinge zu erzählen, die den Leser verstören könnten. Erzählt wird vorzugsweise das, was der Rezipient als Teil einer regulären, wirklichkeitsnahen, ihm vertrauten Welt wiedererkennen kann. Das Bestätigen vorgeformter Sichtweisen und festgefügter Grundsätze – darauf zielen die populären Romane des 19. Jahrhunderts,12 die im Folgenden nicht von ungefähr mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht werden. Denn die in ihnen als gültig propagierten und durch beharrliches Wiederholen beglaubigten Regeln des Sprechens über die Welt wandern durch alle zeitgenössischen Texte, und das unabhängig von der literarischen Qualität des Erzählstücks. So konstituiert die erdrückende Masse des iterativ Gesagten ein herrschendes Wirklichkeitsverständnis, dessen regulative Kraft überall sichtbar wird.

Die Neigung, den Akt des Heiratens eher zu referenzieren als zu erzählen, ist in gewisser Weise trügerisch, könnte sie doch als ein Zeichen für Nebensächlichkeit missverstanden werden. Tatsächlich signalisiert die narrative Verknappung, dass die Heirat nur den Beginn einer Verweiskette markiert, die über Ehe und Familie hinaus auf die mit diesen Institutionen verbundenen Ordnungsvorstellungen zielt. Durch eine Rekonstruktion des diskursiven Rahmens, der die Grenzen von Ehe und Familie im 19. Jahrhundert absteckt, der sie beschränkt und reguliert, der sie ordnet und normiert, soll im Folgenden gezeigt werden, wie das Heiraten am Ende von Romanen zu einem buchstäblich staatstragenden Topos mit weitreichenden Implikationen expandiert.13 Die Hochzeit selbst ist nur das Glöckchen, das beim pawlowschen Leser eine ganze Kette antrainierter Assoziationsreaktionen evoziert.

Familiale Ordnung

Titelvignette der ersten Nummer der »Gartenlaube« von 1853
Abb. 2: Titelvignette der ersten Nummer der Gartenlaube von 1853. Inszeniert wird die idyllische Gemeinschaft einer trauten Bürgerfamilie beim Lesen. (Quelle)

So vielschichtig die Auseinandersetzung mit den Themen Ehe und Familie auch ist – kaum einer der Autoren, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Lexikonartikeln, Zeitschriften oder Monographien mit dem Gegenstand beschäftigen, verzichtet darauf, den Zentralbegriff der Ordnung aufzurufen. Auf ihn wird besonders dann zurückgegriffen, wenn Ehe und Familie hinsichtlich ihrer sozialen Relevanz bewertet werden, sah man in der Ehe doch nicht bloß eine Anstalt zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, sondern ein Institut zur Ausbildung der höheren geistigen Seite des Menschen,14 weswegen die Familie analog als natürliche Gemeinschaft betrachtet wurde, die unbedingt mit sittlichem Inhalte […] erfüllt werden müsse.15 Auch wenn Ehe und Familie als kleinteilige, überschaubare Strukturen begriffen werden, dominiert am Ende doch die Überzeugung, dass ihr sozialer Wert weit über den eng umrissenen Kreis des eigenen Hauses hinausweist: Ein wohlgeordnetes, sittliches Familienwesen gilt als Fundament eines funktionierenden Staatswesens. Auf dem Boden dieser Vorstellung wird darum auch ein (patriarchalisch unterfüttertes) Spiegelverhältnis konstruiert, in dem die familialen Ordnungs- und Herrschaftsmuster, die als Fixpunkt und Ruheraum für das Individuum fungieren, strukturell auf der hierarchisch höheren Ebene des Staates wiederkehren. Darin liegt die immense moralische Bedeutung begründet, die Ehe und Familie auf Schritt und Tritt beigemessen wird. Die Sache moralisch und politisch zu betrachten, ist denn auch fester Bestandteil des herrschenden Diskurses,16 steht doch fest, dass die Heiligkeit der Familie und des häuslichen Herdes der genetische Ort und die fundamentale Grundlage alles staatlichen und gesellschaftlichen Lebens ist,17 weswegen die Familie auch umstandslos zur festesten Grundlage der staatlichen Ordnung erklärt werden kann.18

Vor diesem Hintergrund wird der Schutz der familialen Ordnung vor jedweder Störung zur Staatsräson. Die Reserve bürgerlicher Kreise gegenüber Provokationen wie jener im Kommunistischen Manifest von 1848, wo emphatisch die Aufhebung der Familie19 gefordert wird, ist darum nicht nur Reaktion auf irgendeine Aufforderung zum Bruch mit tradierten, als obsolet und dysfunktional verdammten Institutionen. Denn die sozialistische Forderung impliziert einen radikalen Bruch mit der herrschenden gesamtgesellschaftlichen Organisationsweise. Die Familie als soziale Ordnungseinheit abzuschaffen käme der Schleifung einer der wichtigsten sittlich-moralischen Institutionen des Staates gleich. Darum stößt man auch häufig auf Befürchtungen, dass die Verletzung der Ordnung für die Familie dazu führte, dass die Familie verwahrlost oder aufgelöst wird.20 Die drohende Auflösung familialer Ordnung scheint vielen Zeitgenossen gerade deshalb als hochriskantes Szenario, weil man analoge Konsequenzen für das ganze Staatswesen befürchtete.

In diesem Zusammenhang müssen darüber hinaus Postulate für eine Mädchenerziehung gelesen werden, die Ordnungsliebe und die Erziehung zur Ordnung und zur Pünktlichkeit sowie Ordnung in Raum und Zeit als eine unerläßliche Tugend der Hausfrau einfordern. Eine zukünftige Hausfrau, der diese Tugenden abgingen, würde die Ruhe und das Wohlbehagen, nicht selten aber auch den Frieden und das Glück der Familie aufs Spiel setzen.21 Ist sie eine Frau, wie sie sein soll, prägt sie der scheinbaren Regellosigkeit verschiedenartiger und wechselnder Vorkommnisse des Hauswesens eine feste Regel auf, bringt Ordnung und Plan hinein.22 Die in solchen Äußerungen zutage tretende, im 19. Jahrhundert in fiktionalen wie faktualen Texten so häufig thematisierte und so gern bejahte funktionale Geschlechtertrennung ist essenzieller Bestandteil familialer Ordnungskonzepte – und reichert sie um den Begriff der Natürlichkeit an. Die Vorstellung, die Natur der Frauen ziele darauf ab, Gattinnen, Mütter zu sein und Lebenszwecke zu erfüllen,23 die Vorstellung, ihre häuslichen Pflichten seien ihr von der Natur als heilige Güter vermacht worden,24 mündet folgerichtig in die Vorstellung einer naturnothwendige[n] sociale[n] Ungleichheit.25

Im Kontext dieses Natürlichkeitsdiskurses trifft man ferner auf das schon im romantischen Familiendiskurs geläufige Denkmodell der organischen Organisation der Gesellschaft und ihrer Teile.26 Die Vorstellung einer organischen Organisation fungiert dabei als eine mit Natürlichkeit und Folgerichtigkeit identifizierte genetische Formel für das Staatswesen, das sich aus Individuen, die bereits in einer sozialen Struktur wie der Familie aufgehoben sind, und anderen organischen Zellen zusammensetzt, zu denen nicht zuletzt die Familie zu zählen ist. Die Familie gewinnt so gleichsam die Qualität eines handelnden Subjekts.27 Dabei wirkt der ebenso wie Individuum und Familie als natürlicher Organismus konzipierte Staat auf die ihn konstituierenden Elemente zurück. Er erscheint in seiner Gesamtheit als ein zirkuläres, selbstverstärkendes, arbeitendes System. Das Organismusmodell referenziert somit zugleich die Vorstellung von einem unauflöslichen Geflecht, in dem Individuum, Familie und Staat miteinander verbunden sind, und die Vorstellung der Folgerichtigkeit dieser Verbindung, die sich immer dann automatisch formiere, wenn das Individuum seiner natürlichen Bestimmung folge.

Vor diesem Hintergrund wird bei sozialkonservativen Vertretern wie dem Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl ein Angriff, der gegen die Institution der Familie vorgetragen wird (dazu dürfte er auch sozialistische Provokationen, wie die oben zitierte, zählen28), zugleich zu einem Angriff auf die organisch gegliederte Gesellschaft.29 Schließlich gilt ihm die Familie als Urgrund aller organischen Gebilde in der Volkspersönlichkeit.30 Solche organizistischen Vorstellungen sind – wie nicht anders zu erwarten – auch bei Staatsrechtlern wie Johann Caspar Bluntschli ein die Betrachtung leitendes Denkmodell. Für Bluntschli steht fest, dass die Naturordnung auf die Ehe verweise: Der sittlich-organische Charakter des Rechtes wird in keiner Institution deutlicher offenbar, als in der Ehe, der Grund- und Centralinstitution der Familie. Denn: Das Institut der Ehe ist […] ein wesentlicher Bestandtheil der sittlichen Weltordnung.31 Umgekehrt findet sich die Denkfigur, dass die moderne Gesellschaft, in der die Familie an früherer eigenthümlicher Kraft verloren habe, ganz zur unorganischen atomistischen Masse abstrakter Staatsbürger geworden sei.32 Eine Entwicklung, die mit Skepsis betrachtet wird.

Jenseits der synchronen Funktion dieses begrifflichen Netzes, das in der Gegenwart Ruhe, Ordnung und Sittlichkeit sowohl auf der Ebene der Familie als auch der des Staates garantieren soll, wird zugleich ein in die Zukunft weisendes, diachrones Versprechen sichtbar. Dieses liegt zum einen in der Konzeption des Staatswesens als Organismus begründet, die nicht nur als Formel zur Erklärung seiner gegenwärtigen Konstitution fungiert. Weil ein Organismus nicht statisch, sondern entwicklungsfähig ist, impliziert das organizistische Gesellschaftsmodell die Möglichkeit zur sittlichen Weiterentwicklung der Gesellschaft als Ganzes. Das diachrone Versprechen wird zum anderen in dem Willen sichtbar, Kinder mit dem bürgerlichen Tugendkatalog vertraut zu machen, damit sie dieselben, hocherwünschten Wertvorstellungen und Verhaltensmuster der Eltern adaptieren, reproduzieren und so in Zukunft ebenfalls weitergeben können. Darum sind Erziehungsfragen ein fester Bestandteil des familialen Ordnungsdiskurses, denn gelingt die Einschreibung der erwünschten sittlich-moralischen Werte und Normen scheint die reguläre Funktion und Dauerhaftigkeit der familialen und staatlichen Ordnung garantiert.

All dies hat Konsequenzen dafür, wie das Haus konzipiert wird, das durchgängig als affektiv besetzter Ort erscheint, an dem die in Liebe verbundene Familie zusammenkommt. Mitunter wird es gar zu einem dauerhaften Träger des sittlich-moralischen Gerüsts aus familialen Werten und Normen stilisiert. So erklärt ein Autor den physischen Ort der Wohnung, die möglichst nicht wechseln sollte, zum Träger bürgerlicher Werte und Tugenden: Die Elemente der Stabilität, der Ordnung, Festigkeit, Entschiedenheit wachsen unwillkürlich in das Kind hinein, dessen tägliche häusliche Umgebung die nämliche bleibt.33 Bei Riehl erweitert sich dieser Gedanke zu der Vorstellung, dass Häuser, die einen Namen haben, zugleich Träger familiärer Traditionen seien. Abstraktes Durchnummerieren der Häuser in modernen Planstädten lehnt er konsequenterweise ab, bürgt doch allein der individuelle Name für das organisch Gewordene: Das organische Haus hatte einen Namen; das symmetrische hat eine Nummer.34

Die Beispiele ließen sich zu jedem der genannten Punkte leicht vermehren, die Analyse sich problemlos vertiefen. Dass der gesellschaftliche Mainstream des 19. Jahrhunderts Ehe und Familie als Institutionen konzipierte, die klar strukturierten Ordnungsmustern folgen, die weit über den familialen Wirkungskreis des Individuums hinausweisen, dürfte gleichwohl ausreichend klar geworden sein. Auf den hier skizzierten Diskurs wird am Ende der im Folgenden untersuchten Romane nicht allein die Heirat verweisen. Daneben werden immer wieder zentrale Begriffe wie Ordnung, Sitte, Häuslichkeit aufgegriffen, die unverkennbar aus dem zeitgenössischen Ehe- und Familiendiskurs stammen.

Erzählte Ordnung

Zur Inszenierung der wiederhergestellten Ordnung am Ende des bereits erwähnten Sozialromans Das Engelchen gehört, dass ein verbrecherischer Textilfabrikant Suizid begeht. Dieser hatte durch persönliches Fehlverhalten und den Bau einer Fabrik zum Sittenverfall sowohl in der eigenen Familie als auch unter den bei ihm beschäftigten Arbeitern beigetragen. Eine Konsequenz seines Todes ist, dass seine Tochter und Erbin nun den (vermeintlichen) Sohn seines Gegenspielers heiraten kann, einen Weber von altem Schrot und Korn, der nicht auf industrielle Massen-, sondern häusliche Qualitätsproduktion setzt.35 Dass der Weber tatsächlich Kind einer Baronin (der zweiten Ehefrau des toten Fabrikanten) ist, der kurz nach seiner Geburt mit einem anderen Kind vertauscht wurde, ist nicht unbedeutend. Die verworrenen und verwirrenden Familienverhältnisse, die am Ende des Romans vollständig aufgeklärt werden, stellen sicher, dass diese Heirat nicht als Mesalliance gesehen werden muss. Der Roman folgt auch hierin den Ordnungsvorstellungen der Zeit (vgl. unten den ähnlich gelagerten Fall in Schloß und Fabrik).

Begleitet wird der Verweis auf die Heirat der beiden Hauptfiguren bezeichnenderweise durch die Schließung einer Gastwirtschaft, in der die Arbeiter hemmungslos Branntwein konsumierten (ein zeittypisches Signum des Sittenverfalls36), und durch die Schließung der Fabrik. An ihre Stelle tritt die alte zünftige Weberkunst37 und eine Ordnung, die dem bürgerlichen Tugendkatalog folgt. Die Heirat wird begrifflich in einer Weise gerahmt, die überaus vertraut klingt: ein neues Geschlecht voll Arbeitsamkeit, Zucht und Sitte wächst herauf, das in seiner jungen Gutsherrschaft die Muster jeder häuslichen und bürgerlichen Tugend verehrt.38

Ganz ähnlich wie Prutz’ Engelchen spielt Louise Ottos Schloß und Fabrik (1846) vor dem Hintergrund des sozialen Gefälles zwischen Reich und Arm und der prekären Lage von Fabrikarbeitern. Das wesentliche Interesse des Textes gilt indes einem ganzen Strauß an Liebeskonflikten, die ihn im Kern zu einen Liebesroman machen.39 Es ist bezeichnend, dass sich die Liebeskonflikte erst lösen, nachdem die sozialen Konflikte zur größtmöglichen Unordnung eskaliert sind: Die geknechteten Fabrikarbeiter wagen den Aufstand, sie plündern und brandschatzen, stürmen gar das Fabrikantenhaus. Der Aufstand wird mit Hilfe des Militärs rasch niedergeschlagen, sodass es gelingt, noch in derselben Nacht ziemlich und am andern Tage vollkommen die Ordnung wieder herzustellen.40 Just in diesem Moment werden auch die Liebeskonflikte aufgelöst, was für zwei der Pärchen (allesamt Adlige) auf eine zukünftige Hochzeit und für ein drittes (einem armen Arbeiter und der reichen Fabrikantentochter) den Tod im Kugelhagel bedeutet: Sie dort oben in Liebe vereint – wir hier unten – wem ist das bessere Theil geworden?,41 konstatiert eine der Figuren auf der letzten Seite. Bezeichnend ist, dass gerade das standesübergreifende Paar keine reguläre Ehe eingehen darf, sondern sich mit dem Versprechen auf eine Verbindung im Jenseits begnügen muss. Dieses Versprechen wird gleichwohl bombastisch inszeniert:

Die Kugel folgt ihrem blinden Lauf […].
Pauline – das traf!
Franz – Du auch? – Die Kugel steckt in meiner Brust – ach, so sind wir vereint, so ist’s ja gut – der Himmel ruft die vereinten Seelen vereint – hinauf.
Pauline! Nun bist Du mein!42

Dass allein die Adligen zueinander finden, deckt sich mit dem Umstand, dass auch in der extradiegtischen Welt standesübergreifende Ehen tendenziell vermieden wurden. Sosehr die zeitgenössische Literatur Liebe als vorzüglichen Grund einer Eheschließung proklamiert, sosehr dominieren Standesschranken und die Orientierung an den ökonomischen Umständen den Heiratsmarkt.43 Dass sich auf diesem offenbar schon im 19. Jahrhundert betrügerische Institute tummelten, die die Vermittlung der Heirat mit einer reichen Dame versprachen, passt zu diesem Befund.44 Und trotzdem fordert Otto in ihrer emanzipatorischen Kampfschrift Das Recht der Frauen auf Erwerb (1866), dass bei der Entscheidung zur Eheschließung nicht die äußeren Verhältnisse den Ausschlag geben, sondern allein die Liebe,45 was freilich nicht als Absage an den dominanten Ordnungsdiskurs misszuverstehen ist. Denn Otto überhöht die Familie, die auch für sie untrennbar mit der Institution der Ehe verbunden ist, mithilfe desselben, staatstragenden Begriffsrepertoires, das man von anderen Autoren bereits kennt: Auf der Heiligkeit und Sittlichkeit der Familie beruht das ganze Heil und die ganze Sittlichkeit der Nation,46 schließlich bilde die Familie den Grundpfeiler der socialen Ordnung und des Staates.47

Aufs Engste miteinander verwoben sind Ordnungs- und Heiratsdiskurs auch in Karl Spindlers Putsch & Comp. (1851/52). Der Roman spielt vor dem Hintergrund der Badischen Revolution von 1848/49 und thematisiert das Schicksal einer Gruppe von vier Freunden, die es sich bereits im ersten Romankapitel in den Kopf setzen, die vier Töchter eines verwitweten Freiburger Kaufmanns zu heiraten. Man ist mit den Frauen zwar nicht im Entferntesten bekannt; auf dem Reißbrett werden trotzdem Pärchen gebildet und Heiratspläne geschmiedet, die sich am Schluss des Textes tatsächlich erfüllen. Das Werben um die vier Frauen wird durch den Ausbruch der Revolution und dadurch erheblich erschwert, dass sich zunächst einige nicht geplante Liebschaften entwickeln. Zur General-Hochzeit48 im Ausland kommt es darum erst im Moment der endgültigen Befriedung Südwestdeutschlands, die mit dem Ende des Romans zusammenfällt. Die Hochzeit wird einmal mehr nicht ausführlich erzählt, aber in typischer Weise begrifflich gerahmt. Im ersten Kapitel war sie noch für Ostern 1848 in Freiburg vorgesehen, vollzogen werden konnte sie aber erst im Spätsommer 1849 in Basel, wohin der Kaufmann zusammen mit seinen Töchtern vor den Kämpfen geflohen ist. Nun verläuft alles planmäßig:

Und richtig wurde zur bestimmten Zeit, einige Tage später, das vierfache Hochzeitsfest gefeiert und dessen Heiterkeit gesteigert durch die inzwischen gen Basel gelangte Nachricht, dass die liebe Stadt Freiburg vom Würgengel des Kriegs verschont worden und zur Ordnung zurückgekehrt sei.49

Der Erzähler berichtet im Folgenden, wie jeder der Freunde einen Toast ausbringt. Der letzte gilt dem mathematischen Gesetz, so die Welt regiert und nach manchen Stürmen und Verwicklungen die Werberei der vier Freunde zum Ziel geleitet hatte!50

Die chronologische Bewegung des Romans – vorrevolutionäre Ordnung, revolutionäre Unordnung, nachrevolutionäre Neuordnung –, die zu den Heiratsplänen der Figuren parallel läuft, wird nicht von ungefähr mit dem Attribut der Gesetzmäßigkeit aufgeladen. Die Hochzeit erscheint erneut als Signum der Ordnung: Sie ist topischer Verweis auf die organische Natürlichkeit zukünftiger Entwicklungen. Sie verspricht eine sich perpetuierende familiale und gesellschaftliche Ordnung, die festen und vorhersehbaren Regeln folgt, die wiederum jenen ewigen Frieden sicherstellen sollen,51 auf den einer der Freunde bei der Hochzeit anstößt. Es ist somit keineswegs Zufall, sondern Niederschlag einer diskursiven Regelmäßigkeit, dass die konnotativen Sphären von Ordnung und Heirat die Handlung in Spindlers Putsch & Comp. strukturieren.

Neben mustergültigen Fällen wie diesem gibt es selbstverständlich auch Abweichungen zu beobachten, deren Spiel allerdings demselben Regelwerk folgt. Eine spiegelverkehrte und dennoch regelkonforme Ausnahme, bei der am Schluss eines Romans keine Heirat, sondern das Zerbrechen einer Ehe steht, stellt Louise Astons Aus dem Leben einer Frau (1847) dar. Die in Astons Roman ausführlich beschriebene Ehe wird von Anfang an als irregulär markiert: Die Hauptfigur wurde durch ihren Vater zur Heirat mit einem reichen, alten, dicken, hässlichen Fabrikanten gezwungen; das Paar bleibt kinderlos, von Liebe keine Spur; in den adligen Kreisen, in denen man verkehrt, wird die Frau des bürgerlichen Aufsteigers nicht akzeptiert; sie beteiligt sich nicht einmal an der alltäglichen Hausarbeit (was sie wegen des beträchtlichen Reichtums ihres Gatten auch nicht unbedingt muss). Ein Zeichen für den Beginn einer Normalisierung der Verhältnisse ist, dass die Frau eigenmächtig fast alle ihre Bediensteten entlässt, um selbst in die Rolle einer aktiven Hausfrau zu schlüpfen. Bezeichnenderweise wird ihr im Zusammenhang mit dieser Entscheidung, die mit dem sozialen Engagement für die in der Fabrik ihres Gatten beschäftigten Arbeiter einhergeht, durch den Erzähler ein natürliches, richtiges Gefühl zugesprochen.52 Als ihr Gatte am Ende des Romans bankrottgeht, will er seine finanzielle Schieflage durch die Prostitution seiner Frau wieder ins Lot bringen. Sie ist empört, während er mit Ehre vor der Welt, mit der bürgerliche[n] Stellung argumentiert, von der der Werth unseres Lebens abhänge.53 Da sich die Werte ihres Gatten allein nach Geld bemessen, aber offensichtlich keine sittliche Extension haben, kann sie nur noch eins tun, um die vollständige Denormalisierung ihrer Ehe zu verhindern: Sie rettete die Heiligkeit der Ehe, indem sie dieselbe zerriß!54

Dass hier der Bruch der Ehe mit dem Bruch einer Konvention zusammenfällt, die im Roman erzählten Konflikte in einer Heirat aufzulösen, sollte allenfalls als partielle Transformation des herrschenden Diskurses gedeutet werden. Denn der Bruch ist in Astons Text deutlich als Ultima Ratio markiert, die die immense gesellschaftliche Bedeutung von Ehe und Familie nicht im Geringsten infrage stellt. Die Ordnung der Familie der Protagonistin ist am Ende des Romans unrettbar verloren, es gibt kein Remedium zu ihrer Heiliung55. Da der erzählerische Ausweg einer symbolischen Heirat, die für die Aufhebung des Individuums in einer sittlich fundierten Familienordnung bürgen würde, nicht mehr gangbar ist, bleibt allein die Beendigung der Ehe. Schließt Astons Roman auch mit dem Scheitern eines individuellen Lebensentwurfs, impliziert er doch zugleich, dass die systemische Funktion der Ehe, ihre Heiligkeit, die im herrschenden Diskurs als stabilisierende, beruhigende und ordnende soziale Kraft konzipiert ist, unangetastet bleibt.

Ein ordentliches Ende

»Häusliches Glück«, Holzschnitt einer Mutter mit ihren Kindern von 1862
Abb. 3: Häusliches Glück, Holzschnitt einer Mutter mit ihren Kindern von 1862. Das Bild illustriert ein gleichnamiges Gedicht von Hedwig Gaede, das ein Loblied auf funktionale Ge­schlechtertrennung und ruhige Häus­lichkeit singt, denn in der Familie Schooß, / Da wächst und blüht die Gottesblume groß. (Quelle)

Selbst Texte des 19. Jahrhunderts wie der von Aston, in dem eine Ehe explizit getrennt wird, bergen das Versprechen, dass der Welt reguläre Ordnungsmuster zugrunde liegen, in denen der Einzelne aufgehoben und geborgen wird, wenn er nur entlang naturgegebener sittlicher Maßstäbe handle. Scheitert eine Ehe wie im Falle von Astons Aus dem Leben einer Frau, wird zumindest ihre pathologische Denormalisierung verhindert, die – man erinnere sich an die staatstragende Bedeutung, die Ehe und Familie im herrschenden Diskurs beigemessen wurde – unter Umständen Folgen für das gesamte Gesellschaftsgefüge haben könnte. Insofern kann im Fall von Aus dem Leben einer Frau auch die Ausnahme auf die Konvention verweisen, einen Roman mit einem ordentlichen Ende, einem Ende in Ordnung zu schließen. Für den Beginn einer vollgültigen Normalentwicklung steht freilich allein die Ehe, weswegen Abweichungen von der Norm wie sie bei Aston oder Tiedemann, der mit Herzblut das Kunststück fertigbrachte, einen Liebesroman ohne Heirat zu schreiben, rar sind.

Dass Hochzeiten allenfalls summarisch erzählt werden, unterstützt die Lesart, dass der evozierte Ordnungsdiskurs zugleich Normalitätsdiskurs ist. Was Attribute der Gewöhnlichkeit, der Selbstverständlichkeit besitzt, hat in der Literatur der Zeit keinen großen erzählerischen Wert, wird darum auch in aller Regel nicht ausführlich verschriftlicht. Ein Werk wie Adalbert Stifters Nachsommer (1857), das man als Versuch lesen kann, die erzählte Welt in einer Wiederholungsschleife aus reibungs- und konfliktarmen Handlungsmustern und Geschehnissen ohne Ereigniswert zu arretieren, steht zu dieser Feststellung nicht unbedingt im Widerspruch. Schließlich basiert auch er auf einem initialen Konflikt, der das Leben zweier Protagonisten durcheinanderbrachte: die Geschichte von Risach und Mathilde, deren Heirat trotz wechselseitiger Liebe nicht zustande kam, letztlich aber stellvertretend von Heinrich und Natalie vollzogen werden kann. So wird Der Nachsommer zu einem Traumbuch des konservativen Bürgertums, was jedoch eine offensive Ausklammerung der großen gesellschaftlichen und politischen Konflikte der Zeit erforderte (was wiederum nicht ganz gelingen wollte, sind sie doch zumindest unterschwellig immer noch präsent). Als Gegenentwurf zur konfliktträchtigen Wirklichkeit phantasiert der Roman eine Welt in schönster Ordnung, die nicht umsonst zu einer der zentralen Kategorien des Romans avanciert.56 Dass die Eheschließung, mit der die Erzählung endet, exakt dieselben Muster reproduziert, wie sie in anderen Texten zu beobachten sind, kann da nicht weiter verwundern: Erst nachdem die Beziehungen geordnet und geknüpft57 waren und das junge Ehepaar die eigentliche Familie auf dem Sternenhof geworden ist,58 kann ein Versprechen auf Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung jenseits des Romans gemacht werden: So rückte nun die Zeit in ihr altes Recht, und ein einfaches gleichmäßiges Leben ging Woche nach Woche dahin.59 Das reine Familienleben, wie es Risach verlangt, wie es der herrschende Familiendiskurs verlangt, steht für Einfachheit[,] Halt und Bedeutung – und für Beständigkeit jenseits der erzählten Zeit: Es wird in ungeminderter Fülle dauern.60 Die durch die abschließende Heirat begründete Ehe hält die Romanfiguren gefangen in Iterationen der Gewöhnlichkeit. Jetzt und so kann und darf der Roman enden.

Da die durch eine Heirat aufgerufenen Ordnungsschemata auf Bekanntes aus der dem Leser vertrauten extradiegetischen Welt verweisen, ist mit der Eheschließung ein Punkt erreicht, an dem der Ausstieg aus der Diegese leicht wird. Der Text endet, weil die ihn antreibenden Konflikte gelöst wurden, weil wieder Ordnung herrscht, weil der Leser grosso modo weiß, was von der nicht mehr erzählten Zeit jenseits der Erzählzeit des Romans zu erzählen wäre. Das funktioniert auch deswegen, weil der zeitgenössische Familiendiskurs eng mit der Vorstellung organischer Natürlichkeit verwoben ist, der die zukünftige Normalentwicklung einer Ehe, die auf einer sittlich einwandfreien Basis ruht, für wahrscheinlich erklärt. Die narrative Schlussfigur der Heirat markiert den Beginn einer Entwicklung, die vom Romanpersonal in persistenter, sittlicher, ordentlicher Weise durchlaufen werden kann. Dies ist das hinter allem stehende Versprechen. So betrachtet erweisen sich die untersuchten Romane als Produkte einer literarischen Epoche, die ein ordentliches Ende, ein Ende in Ordnung noch kennt, noch wünscht, ja sogar fordert.

Bildnachweis

Abb. 1: Dein, in: Die Gartenlaube 14 (1866), S. 313. Ebd. auf S. 316 f. findet sich ein zweiseitiger Aufsatz unter dem Titel Deutsche Sitte, der die Bilderserie erläutert. (Originalbild)

Abb. 2: Titelvignette der Gartenlaube, in: Die Gartenlaube 1 (1853), S. 1. (Originalbild)

Abb. 3: Häusliches Glück, in: Der Feierabend. Jahrbuch für Ernst und Scherz, zur Belehrung und Unterhaltung 17 (1862), vor S. 77. Das Gedicht von Hedwig Gaede folgt ebd. S. 77 f.

Anmerkungen

* Der Aufsatz ist ein Nebenprodukt meines Promotionsprojekts mit dem Arbeitstitel Die Moral die Zahl. Der Quantifizierungsdiskurs in der deutschen und italienischen Erzählliteratur des 19. Jahrhunderts.

1 Therese Huber: Die Ehelosen, 2 Bde., Leipzig 1829, II, S. 328. Darauf hingewiesen hat schon Andrea Albrecht: Ehe und Nicht-Ehe ist eine individuelle Sache. Ledige Frauen in der literarischen Imagination Therese Hubers, in: Ehe – Haus – Familie. Soziale Institutionen im Wandel 1750–1850, hrsg. v. Inken Schmidt-Voges, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 285–314.

2 Huber: Die Ehelosen (wie Anm. 1), I, S. V–XXXII, hier X; Hervorhebung N. D.

3 Die Schlussfigur des Heiratens wird hier als narrativer Topos im Sinne eines konventionalisierten, verfestigten, aber auch zeitgebundenen Bildes verstanden. Der Begriff Schlussfigur bezieht sich primär auf die Position im Text. Auf die Logik verweist er nur insofern, als das Heiraten am Schluss von Romanen durchaus einen Schluss im Sinne einer Schlussfolgerung zulässt.

4 Untersucht wurden Romane und der diskursive Kontext von Ehe und Familie vornehmlich in der Zeit zwischen 1830 und 1870. Zu vermuten ist, dass die Frequenz abnimmt, mit der Romane am Ende eine Heirat inszenieren oder referenzieren. Die große Relevanz, mit der die Institutionen Ehe und Familie bedacht wurden, ist das ganze Jahrhundert über gegeben.

5 Robert Prutz: Das Engelchen. Roman, 3 Bde., Leipzig 1851 (Ndr., Göttingen 1970), III, S. 460. Die holden Kleinen werden auf S. 461 erwähnt.

6 Adolf Schirmer: Ein Familiendämon. Roman, 2 Bde., Wien 1863, II, S. 228.

7 Friedrich Wilhelm Hackländer: Handel und Wandel, 2 Bde., Berlin 1850, II, S. 262; Hervorhebung N. D.

8 Levin Schücking: Der Held der Zukunft. Roman, 2 Bde., Prag/Leipzig 1855. Der Zeitsprung findet zwischen dem vorletzten und dem letzten, mit Schlußtableau (ebd., II, S. 153) überschriebenen Kapitel statt.

9 E. Marlitt (eigtl. Eugenie John): Goldelse. Roman, 3. Aufl., Leipzig 1868. Hier findet sich der Zeitsprung auf S. 396, drei Seiten vor Schluss.

10 Gustav Freytag: Soll und Haben. Roman in sechs Büchern, 3 Bde., 3. Aufl., Leipzig 1855, III, S. 326–334.

11 Oswald Tiedemann: Herzblut. Roman, 3 Bde., Prag/Leipzig 1855, II, S. 111–116. Der Tod der Braut am Ende des ersten Teils ist zugleich eine Prolepse auf den Schluss des zweiten. Am Ende des Romans werden nahezu alle Hauptfiguren gestorben sein, keine wird geheiratet haben.

12 Vgl. die ganz ähnlichen Überlegungen in Umberto Eco: I Beati Paoli e l’ideologia del romanzo popolare, in: Ders.: Il superuomo di massa. Retorica e ideologia nel romanzo popolare, Mailand 1998, S. 69–87, hier 72–75.

13 Vgl. Sabine Geßner: Märchenhochzeit oder Realität? Die Hochzeit in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm aus kulturhistorischer Sicht, in: Fabula 39 (1998), S. 38–52. Geßner hat bereits die zahlreichen Hochzeiten am Ende der grimmschen Märchen untersucht. Ihr geht es aber nicht darum den Bedeutungskontext des Heiratens im frühen 19. Jahrhundert, sondern den Realitätsgehalt der Märchen zu eruieren. Darum verweist sie fast ausschließlich auf frühneuzeitliche Hochzeitsbräuche und -regeln.

14 Joseph Unger: Die Ehe in ihrer welthistorischen Entwicklung. Ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte, Wien 1850, S. 154 f.

15 Konrad Maurer: Art. Familie, in: Deutsches Staats-Wörterbuch, Bd. 3 (1858), S. 495–503, hier 496.

16 Johann Karl Immanuel Buddeus: Art. Ehe, V. Moralisch und politisch, in: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, Bd. 31 (1838), S. 297–305, hier 297.

17 N. N.: Die modernen Laren und Penaten. Eine sociale Studie, in: Deutsche Vierteljahrs Schrift 22/3 (1859), S. 320–346, hier 324.

18 Reinhold Schmid: Die politische Gleichstellung der Frauen, in: Deutsche Vierteljahrs Schrift 31/4 (1868), S. 59–82, hier 68.

19 Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, in: Dies.: Werke, Bd. 4, 8. Aufl., Berlin 1977, S. 459–493, hier 478.

20 Rudolf Heinrich Bernhard Bosse: Art. Familienwesen, in: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, Bd. 41 (1845), S. 349–363, hier 349.

21 N. N.: Die künftige Hausfrau, in: Erzähler zum Fürther Tagblatt 21 (1861), S. 347 f.

22 Karl Biedermann: Ueber Frauenbestimmung, in: Die Gartenlaube 3 (1855), S. 136 f., 182 f., 222 f., 488–490, 666 f., hier 182.

23 N. N.: Deutsche Mädchenerziehung, in: Unterhaltungen am häuslichen Herd 1 (1852/53), S. 780–783, hier 780.

24 Amely Bölte: Zur Beherzigung für Frauen, in: Unterhaltungen am häuslichen Herd 2 (1853/54), S. 316–318, hier 318.

25 N. N.: Ein Frauenurtheil über Riehl’s Die Familie, in: Unterhaltungen am häuslichen Herd, N. F. 2 (1856/57), S. 303 f., hier 303. Ein ausführliches Kapitel zur Begründung der sociale[n] Ungleichheit als Naturgesetz mit linguistischen, naturwissenschaftlichen und anderen Argumenten findet sich in Wilhelm Heinrich Riehl: Die Familie, Stuttgart/Augsburg 1855 (= Die Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik, Bd. 3.), S. 3–24.

26 Dieter Schwab: Art. Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 (1975), S. 253–301, hier 288–291.

27 Ebd., S. 288 f.

28 Neben seiner prinzipiellen Reserve gegenüber jedwedem Sozialismus ist Riehl das Frankreich mit seiner Civilehe […] die eigentliche Central-Werkstätte für die Auflösung der Familie. Riehl: Die Familie (wie Anm. 25), S. 216.

29 Ebd., S. 202.

30 Ebd., S. VI.

31 Johann Caspar Bluntschli: Art. Ehe, in: Deutsches Staats-Wörterbuch, Bd. 3 (1858), S. 203–226, hier 203.

32 Karl Christian Planck: Die moderne Gesellschaftsentwicklung im Lichte der alten, in: Deutsche Vierteljahrs Schrift 21/2 (1858), S. 1–59, hier 20.

33 N. N.: Laren und Penaten (wie Anm. 17), S. 338.

34 Wilhelm Heinrich Riehl: Die Familie (wie Anm. 25), S. 184.

35 Vgl. zum Idealisieren alter handwerklicher Traditionen und zur abschätzigen Haltung gegenüber industriellen Fertigungsprozessen Prutz: Das Engelchen (wie Anm. 5), I, S. 247–251.

36 Ein Beispiel soll genügen. Wolfgang Menzel: Aus Anlaß der Fabrikemeuten, in: Deutsche Vierteljahrs Schrift 7/4 (1844), S. 371–405, hier 373, stellt die in allen Fabrikgegenden eingenistete Branntweinpest direkt neben die Unsittlichkeit im Verkehr der Geschlechter, um die prekäre Lage zu beschreiben, in der sich die Fabrikarbeiter im Angesicht ausbeuterischer Fabrikanten befinden.

37 Prutz: Das Engelchen (wie Anm. 5), III, S. 460.

38 Ebd., S. 461; Hervorhebung N. D.

39 Die Dominanz einer christlich überhöhten Liebesthematik konstatierte schon Hans Adler: Soziale Romane im Vormärz. Literatursemiotische Studie, Diss. Univ. Bochum 1978, München 1980, S. 115–147, bes. S. 128–132.

40 Louise Otto: Schloß und Fabrik. Roman, 3 Bde., Leipzig 1846, III, S. 171; Hervorhebung N. D. Ottos Roman unterlag der Zensur. Im Vergleich zur ersten, unzensierten Version, die in Louise Otto-Peters: Schloß und Fabrik. Roman, hrsg. v. Johanna Ludwig, Leipzig 1996, S. 319 zu finden ist, wurde die Passage zwar umformuliert. Der entscheidende Passus findet sich allerdings auch dort, und zwar fast wortgleich: es ist ihm [dem Militär] gelungen, die Ordnung noch in derselben Nacht ziemlich und am anderen Tage vollkommen wiederherzustellen. Da die vom Zensor verlangten Änderungen des Romans im Gegensatz zur Behauptung der Herausgeberin Johanna Ludwig in aller Regel von untergeordneter Bedeutung sind, im 19. Jahrhundert nicht die Original-, sondern die publizierte Version diskursaktiv war und Ludwigs Editionsrichtlinien mitunter fragwürdig sind, wird im Folgenden aus der Originalversion zitiert. Dies kann man ruhig machen, zumal der Roman keineswegs verstümmelt[] wurde, wie es Ludwig behauptet. Ihr Urteil speist sich wohl vornehmlich aus der Empörung darüber, dass die frauenemanzipatorischen Aspekte von Schloß und Fabrik in der bisherigen Forschung nicht beleuchtet wurden. (Ebd., S. 354)

41 Ebd., III, S. 174.

42 Ebd., III, S. 169 f.

43 Vgl. dazu Peter Borscheid: Geld und Liebe. Zu den Auswirkungen des Romantischen auf die Partnerwahl im 19. Jahrhundert, in: Ehe, Liebe, Tod. Zum Wandel der Familie der Geschlechts- und Generationsbeziehungen in der Neuzeit, hrsg. v. dems./Hans J. Teuteberg, Münster 1983, S. 112–134.

44 Vgl. N. N.: Londoner Industrieen. Office for Marriages. London, in: Die Gartenlaube 8 (1860), S. 766–768.

45 Louise Otto: Das Recht der Frauen auf Erwerb. Blicke auf das Frauenleben der Gegenwart, Hamburg 1866, S. 33.

46 Ebd., S. 35.

47 Ebd., S. 47.

48 Karl Spindler: Putsch & Comp. 1847 – 1848 – 1849, 4 Bde., Stuttgart 1856, IV, S. 198.

49 Ebd., IV, S. 211; Hervorhebung N. D.

50 Ebd. Hervorhebung N. D. Den Trinkspruch macht die Figur Alfred. Der Philosoph wird als ein mathematisches Gemüth, das Zoll für Zoll das Leben eines Menschen zu berechnen weiß (ebd., II, S. 67), charakterisiert. Die Rede vom mathematischen Gesetz reproduziert Alfred passim. In ebd., III, S. 39–40 wird recht deutlich, dass dahinter die Idee des Laplaceschen Dämons steckt.

51 Ebd., IV, S. 211.

52 Louise Aston: Aus dem Leben einer Frau, Hamburg 1847, S. 127; Hervorhebung N. D.

53 Ebd., S. 151.

54 Ebd., S. 154.

55 Droht ein Ehebruch, werden die weiblichen Gefühle in den untersuchten Romanen gerne als Krankheit beschrieben, von der man selbstredend geheilt werden kann. So z. B. in Fanny Lewald: Clementine, Leipzig 1843, S. 259, wo der Mann am Ende erkennt, woran Clementine, seine Frau, vor zwei Jahren erkrankt sei. Geheilt hat sie die Entscheidung zu ihrem Mann zu halten, der bezeichnenderweise Arzt ist. Nichts hat fortan den Frieden dieser Ehe bedroht. (Ebd., S. 260) Auch in Louise Mühlbach (eigtl. Clara Mundt): Eva. Ein Roman aus Berlins Gegenwart, 2 Bde., Berlin 1844, II, S. 288, hat nur ein Wahn, eine Krankheit die Liebe von Eva zu ihrem Mann getrübt.

56 Das soll hier nicht weiter belegt werden, ist der Umstand doch sehr gut erforscht. Vgl. z. B. den schönen Aufsatz von Sabina Becker: Nachsommerliche Sublimationsrituale. Inszenierte Ordnung in Adalbert Stifters Nachsommer, in: Ordnung – Raum – Ritual. Adalbert Stifters artifizieller Realismus, hrsg. v. ders./Katharina Grätz, Heidelberg 2007, S. 315–338.

57 Adalbert Stifter: Der Nachsommer. Eine Erzählung, in: Ders.: Werke und Briefe. Historisch-Kritische Gesamtausgabe, Bd. 4,3, hrsg. v. Wolfgang Frühwald/Walter Hettche, Stuttgart/Berlin/Köln 2000, S. 281; Hervorhebung N. D.

58 Ebd., S. 280.

59 Ebd., S. 281; Hervorhebung N. D.

60 Ebd., S. 282.