Intertextualität in Ingeborg Bachmanns Der gute Gott von Manhattan
Jan und Jennifer: ein klassisches Liebespaar?

! Dies ist ein alter Text! Was heißt das?

Die Szene Im Theater nimmt eine Schlüsselposition in Ingeborg Bachmanns Hörspiel ein. Eine Analyse von Parallelen und Unterschieden zwischen den Protagonisten und den fünf klassischen Liebespaaren, die in ihr als Vergleichspunkte aktualisiert werden, soll zeigen, inwiefern die intertextuellen Bezüge zur Konstruktion der Liebesgeschichte beitragen.

Von

1 Einleitung

Die bürgerlichen Tendenzen vieler Arbeiten liegen hier exemplarisch zutage.1 So stufte Wolf Wondratschek Anfang der 70er-Jahre Ingeborg Bachmanns Hörspiel Der gute Gott von Manhattan ein. Seine Hauptkritikpunkte sind, dass das Hörspiel nicht thematisiere, woran die Liebesbeziehung der Protagonisten zugrunde geht, und dass man so gut wie nichts darüber2 erführe, welche Bedingungen dem Niedergang der Liebe von Jan und Jennifer zugrunde liegen. Dass er die gesellschaftsutopischen Extension des Bachmann’schen Spieles nicht und wenn dann nur unzureichend erfasste, zeigt sich in seiner Äußerung: Die Liebe und deren Erlebnisweise bleiben auf das pure Beeinandersein beschränkt.3 Jürgen Becker legte in seiner direkten Replik4 auf Wondratscheks Polemik nachvollziehbar dar, dass die Aussage beileibe nicht so schlicht ist und sich die Liebe von Jan und Jennifer nicht auf ein pures Beieinandersein beschränkt. Indem er die Position des guten Gottes in ein anderes Licht rückte5, zeigte Becker, dass Ingeborg Bachmann die Unmöglichkeit demonstriert, eine äußerste Utopie von Liebe hier und heute zu verwirklichen6, demnach also durchaus eine Aussage darüber macht, worin das Scheitern der Liebenden begründet liegt.

Diese Diskussion der frühen 70er-Jahre ist insofern interessant, als sie ein Schlaglicht auf den Umstand wirft, wie entscheidend das Verständnis von Bachmanns Bildersprache für das Verständnis des gesamten Werkes ist. Dass sich erst durch eine explizite Deutung der, oberflächlich betrachtet, pittoresk anmutenden Figuren (Eichhörnchen) oder grotesk wirkenden Verse (Stimmen) der Hinter-Grund des Spiels erschließt, macht eine Sichtweise wie die von Wondratschek deutlich.

Die vorliegende Arbeit wird diesem Gedankengang folgend ihr Augenmerk auf eine Szene richten, welche die von Wondratschek so vehement eingeforderten objektiven Bedingungen7 für den Niedergang der Liebenden aus Manhattan deutlich macht. Die Rede ist von der Szene Im Theater8, einer Szene, die von Viola Fischerova gar als strukturelles Zentrum des Spiels9 bezeichnet wurde. Inwiefern die genauere Betrachtung von fünf der schönsten Liebesgeschichten der Welt10 das Verständnis des Hörspiels bereichern, ja erweitern kann, soll im Folgenden vorgeführt werden.

2 Zum Begriff Intertextualität

Gerade weil in der wissenschaftlichen Diskussion über die inhaltliche Ausdehnung des Begriffs Intertextualität und über diesen selbst11 noch keine vollkommene Einstimmigkeit erlangt wurde und ferner in eben dieser Diskussion die Ansicht geäußert wird, er könne verschiedenste Formen von Textbezügen bezeichnen, macht es Sinn, hier kurz zu erläutern, wie ich ihn verstehe.

Meine Vorgehensweise kann es im Folgenden nicht sein, einem universalistischen Konzept nachzugehen, wie Julia Kristeva es entwickelte.12 Kristeva geht davon aus, dass jedwede Form kultureller Äußerung Text sei, baut ihre Theorie also auf der Basis eines entgrenzten Textbegriffs. Dieses ist ein hilfreiches Konzept für eine literatur- bzw. kulturkritische Perspektive13, wie Renate Lachmann es nannte. Ich möchte hier jedoch versuchen ein einzelnes, klar abgrenzbares Element eines Textes als Intertext herauszustellen, und zwar insofern, als die Bezüge nicht einem regressus ad infinitum14 folgen, sondern sich auf eine geringe Anzahl von Prätexten beschränken. Hierbei bewege ich mich, Manfred Pfister zufolge15, auf einem Weg, den die überwiegende Zahl vorhergehender literatur- und sprachwissenschaftlicher Untersuchungen eingeschlagen hat. Dies kann nicht weiter verwundern, da eine Entgrenzung der Textbasis mit einer Entgrenzung der Behandlungsbreite einhergehen muss. Eine solche Arbeit wäre, getreu dem universalistischen Konzept, somit nur angemessen, wenn sie selbst enzyklopädische Ausmaße annähme. Praktikabel ist ein derartiges Vorgehen nicht.

Kategoriale Konzepte möchte ich ebenfalls nicht verwenden, gleichwohl es praxistaugliche gibt, die bei einer strukturellen Textbetrachtung durchaus hilfreich sein können.16 Nicht auf Strukturen, sondern vor allem auf inhaltliche Aussagen des Hörspiels möchte ich mich beziehen; ein Vorhaben, bei dem Kategoriengebäude nur wenig hilfreich sind.

Karlheinz Stierle postuliert in seinem Aufsatz Werk und Intertextualität eine Unterscheidung zwischen produktionsästhetischer und rezeptionsästhetischer Intertextualität17. Seiner Definition folgend ist die produktionsästhetische Intertextualität wohl für die Konstitution des Werkes, jedoch nicht unbedingt für das Verständnis des Textrezipienten von Bedeutung. Ein Werk mit produktionsästhetischer Intertextualität könne durchaus, ohne intertextuelle Beziehungen aufzudecken, als Werk an sich verstanden werden, wenn auch seine Strukturen zu einem Großteil auf der Matrize eines Prätextes beruhen. Demnach wäre es ergo nicht entscheidend für das Verständnis, die Bezugstexte und ihr Verhältnis zum eigentlichen Werk zu eruieren. Anders verhalte es sich jedoch, wenn das Aufdecken der produktionsästhetischen Intertextualität für eine Steigerung seiner [des Lesers] Wahrnehmung nutzbar gemacht werden18 kann. Hier spielt nun die Rezeptionsästhetik hinein, die ein Werk zu anderen Werken in Beziehung setzt. Der Leser korreliert – idealerweise – verschiedene Werke, auf die angespielt wird, mit dem Werk, in dem angespielt wird, und versucht Interferenzen, Differenzen oder Identitäten aufzudecken:

Experimente solcher Art sind geeignet, Stereotypen der Wahrnehmung aufzubrechen und das Werk in ungewohnte Beleuchtung zu stellen.19

Dieser Ansatz ist insofern interessant, als sich hier Intertextualität als eine Gelenkstelle zeigt, an der sich verschiedene Deutungsmuster ineinander schieben. Da mein Vorhaben nicht so sehr auf die Struktur der Textreferenzen abzielt, dafür auf die Intension, den Sinngehalt, die Deutung des Hörspiels von Ingeborg Bachmann schaut, stellt sich folglich die Frage, welche Absichten die Autorin mit den intertextuellen Bezügen verfolgte und ob das Aufdecken dieser für den Hörer eine Erweiterung der Wahrnehmung, also einen Gewinn bei der Rezeption des Hörspiels möglich macht. Um das Vokabular Stierles zu verwenden: Ich beschäftige mich mit einer rezeptionsästhetischen Sichtweise auf das Hörspiel.

In Kap. 3 soll eine detaillierte Analyse der Bezugnahme des Phänotextes auf die Prätexte erhellen, inwiefern oder ob der Leser respektive Hörer aus dem Aufdecken intertextueller Bezüge einen Mehrwert schöpft. Letzten Endes wird sich hierdurch auch die Frage klären, die über allem steht: Sind Jan und Jennifer ein klassisches Liebespaar?

Eine Frage, deren Bejahung bis hierher präsupponiert wurde, muss jedoch zuvor geklärt werden: Ist in der ausgewählten Szene überhaupt ein intertextueller Bezug von der Autorin erwünscht? Ich denke, dass durchaus ein Ja die richtige Antwort ist. Ein textstrukturelles Merkmal, welches diese Einschätzung begründen kann, wäre, dass die fünf Liebespaare im Zentrum der Betrachtung stehen und nicht en passant oder gar unbewusst von Ingeborg Bachmann in den Text eingewoben wurden. Wäre dem so, spräche dieser Umstand zwar immer noch nicht notwendigerweise dafür, von einer intertextuellen Betrachtung Abstand zu nähmen. Da die fünf Paare in der Theaterszene gleichwohl die Essenz, der eigentliche Inhalt der Szene sind, darf von einer expliziten Bezugnahme ausgegangen werden. Ferner handelt es sich nicht um einen Exkurs, eine Nebenhandlung, sondern eine Szene, in der zwei entscheidende Figuren, die Eichhörnchen Billy und Frankie, die Geschichten der Liebespaare auf eine mehr eigene denn artige Weise zusammenfassen und somit das Ende Jans und Jennifers vorausdeuten. Entscheidend im Kontext des Spiels sind Billy und Frankie vor allem deswegen, weil sie die Zubringer20 des guten Gottes sind, der Jennifer letzten Endes umbringt. Wenn diese Szene tatsächlich das strukturelle Zentrum21 ist, von dem Fischerova spricht, würde die Annahme, Intertextualität sei erwünscht, weiter erhärtet. Die Klärung dieses Punktes griffe hier jedoch zu weit voraus und soll erst im Ausgang der Arbeit wieder aufgegriffen werden.

Darüber hinaus ist eine Aussage Ingeborg Bachmanns in einem Interview hinsichtlich dieser Frage von nicht unwesentlicher Bedeutung:

Dieses Stück bezieht sich doch auf einen Grenzfall von Liebe, auf einen dieser seltenen ekstatischen Fälle, für die es tatsächlich keinen Platz in der Welt gibt und nie gegeben hat. Und deswegen habe ich ja in diesem Stück auch auf ein paar der großen Liebespaare angespielt22.

Es bleibt also festzuhalten, dass sowohl die Autorin auf eine bewusste Anspielung insistierte als auch Aufbau und Inhalt der Szene darauf deuten, dass das Heranziehen eines Vergleichs nicht willkürlich, nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern durchaus gefordert wird.

3 Fünf Liebesgeschichten und die Liebenden von Manhattan

Das Drama von Orpheus und Eurydike beginnt mit einem frühen unglücklichen Tod von Eurydike.23 Sie stirbt durch einen Schlangenbiss. Der von unbändiger Liebe getriebene Orpheus24 geht ihr in die Unterwelt nach und bittet Dis, ihm Eurydike zurückzugeben. Seine Klage rührt alle im Hades Weilenden zu Tränen, sodass selbst diejenigen Seelen, die dazu verdammt sind, für alle Zeiten iterative Handlungen zu vollführen, diese kurz einstellen:

Und es weinten die Seelen, die bleichen, um ihn, wie er solches
Sang, und die Saiten erklangen: nicht hascht nach der flüchtigen Welle
Tantalus mehr, Ixions Rad steht starr, und die Vögel
Hacken die Leber nicht mehr; es ruhn der Beliden Gefäße,
Und du, Sisyphus, setzest auf deinem Steine dich nieder.25

So setzen also zum Beispiel die sprichwörtlich gewordenen Tantalusqualen aus – Tantalus versucht nicht mehr die Früchte, über seinen Kopf zu ergreifen und das Wasser zu seinen Füßen zu trinken – und Sisyphos stellt für einen Moment die unendlichen Versuche ein, seinen Stein auf einen Berg zu rollen. Der Fortschritt dessen, was immer Gültigkeit haben sollte, gerät also ins Stocken; es ist als bleibe aufgrund der Liebesklage des Orpheus die Zeit stehen. Dieses Motiv des Stillstands der Zeit finden wir auch in Der gute Gott von Manhattan. Im höchsten Stockwerk, das sie im Hotel erreichen werden, wollen Jan und Jennifer sich einrichten. Jennifer betont dabei, sie möchte jetzt alles so hinlegen und stellen, als blieb es für immer.26 Jan sagt dann weiter unten: Ich spüre meine Hand schwerer werden auf dir. Und meinen Geist abwandern – weg von dir. Zurückbleiben wollen Ohnmacht und Stundung27. Diese Formulierung erinnert stark an das Titelgedicht von Ingeborg Bachmanns erstem Lyrikband: Die gestundete Zeit28. Der Begriff Stundung, also vorübergehendes Aussetzen, ist hier ferner auch deswegen in Zusammenhang mit dem Wort Zeit zu bringen, weil die gesamte Szene eine Klage der Liebenden über die Endlichkeit ihrer Liebe, über das Vergehen der gemeinsamen Zeit beinhaltet. Diese Klage gipfelt in Jans Rede:

Und darum will ich dein Skelett noch als Skelett umarmen und […] dein verwestes Herz und die Handvoll Staub, die du später sein wirst, in meinen zerfallenen Mund nehmen und ersticken daran.29

Die Liebe der beiden Protagonisten scheint also so stark zu sein, dass sie Macht über die Zeit, einer Konstante der Welt, wie wir sie kennen, gewinnt – und zwar auf eine ähnliche Weise wie Orpheus’ Liebesklage.

Die Gegenzeit30 Jans und Jennifers ist allerdings ebenso wie die von Orpheus und Eurydike rasch zu Ende. Orpheus wird zugestanden mit Eurydike in die Oberwelt zurückzukehren, doch jener folgt der von den Göttern der Unterwelt aufgestellten Regel, die besagt, er dürfe sich nach seiner Geliebten erst dann umsehen, wenn beide die Oberwelt erreicht haben, nicht. Eurydike muss ob dieses Vergehens wieder in den Hades zurückkehren.

Jan wiederum hält sich nicht an die Regeln der Gegenzeit, die offenbar nur dort gelten können, wo es wenig Erde gibt.31 Dieser Teilsatz ist so zu verstehen, dass Erde hier metaphorisch für die Normen und Konventionen der Gesellschaft jenseits der Beziehung von Jan und Jennifer steht. Durch den nachfolgenden Satz: Hier ist Raum32, also Raum für die den Liebenden zugehörigen Gesetze, wird die Abgrenzung zum Rest der Gesellschaft noch verstärkt. Jans Vergehen nun gegen diese virtuellen Regeln ist, dass er in einer Bar nach der Zeit fragt, womit er die Gegenzeit, also gleichsam die Entsagung jeglicher Zeit, aufkündigt, und dass er sich eine Zeitung geben lässt, was ein geistiges Sich-wieder-in-die-Gesellschaft-Begeben symbolisiert.33

Die Liebe von Tristan und Isolde wurde auf schicksalhafte Weise durch einen Liebestrank gestiftet. Tristan freite Isolde für seinen Freund, den König Marke, mit dem sie schließlich auch verheiratet wird. Die durch den Liebestrank entfachte Zuneigung zwischen den beiden ist jedoch so vehement, dass selbst die gesellschaftliche Konvention, die Ehebruch als schändlich ansah, sie nicht davon abhalten konnte, sie auszuleben. Bedingungslos und absolut können Tristan und Isolde ihre Liebeswünsche allerdings nur in Abgeschiedenheit von der Gesellschaft, in ihrer Minnegrotte, erfüllen. Doch fühlen sich die beiden in dieser Abgeschiedenheit nicht so wohl wie in der höfischen Gemeinschaft, was man daran sieht, dass Tristan Kurvenal, seinen Knappen, wieder an Markes Hof schickt, um in Erfahrung zu bringen, waz der maere / umbe Markes willen waere.34 Ihnen fehlt offenkundig die für die höfische Ethik der damaligen Zeit so entscheidende êre, also gesellschaftliche Anerkennung. Und dennoch, so betont Gottfried nach deren Rückkehr an den Hof, war im Zustand der Abgeschiedenheit ihre Liebe intensiver:

sine wurden aber niemer mê
in allen ir jâren
sô heinlîch, sô s’ê wâren,
nochn gewunnen nie z’ir vröuden sît
sô guote state sô vor der zît.35

Auch Jan und Jennifer sondern sich von der Gesellschaft räumlich ab. Deutlich wird dies durch ihre Wanderung von der Straße über die verschiedenen Stockwerke des Hotels, bis sie sich letztlich im 57. Stock etabliert und von der Gesellschaft nahezu komplett entfernt haben.36 Lebt in Tristan und Isolde noch der innig Wunsch, wieder in die Gesellschaft zurückkehren zu können – in die Liebesgrotte hatten sie sich schließlich auch nur zurückgezogen, weil sie in die Verbannung geschickt worden sind37 –, so ist Jans und Jennifers Exil dementgegen ein selbst gewähltes und eines, aus dem kein Wunsch nach Rückkehr mehr besteht. Ferner gibt es im Hörspiel wohl eine Ahndung des Konventionsbruchs, also des Austritts aus dem Kanon gesellschaftlicher Normen, doch nicht durch Verbannung, sondern durch Tod. Den Ansichten des guten Gottes entsprechend, ist eine Liebe nur für die adäquat, die

das bißchen anfängliche Glut zähmten, in die Hand nahmen und ein Heilmittelunternehmen gegen die Einsamkeit draus machten, eine Kameradschaft und wirtschaftliche Interessengemeinschaft. Ein annehmbarer Status innerhalb der Gesellschaft ist geschaffen. Alles im Gleichgewicht und in der Ordnung.38

Die Liebenden von Manhattan jedoch streben keinen Zustand an, der sie in ein Gleichgewicht mit der Gesellschaft stellt.39 Ihr Prinzip ist das der Absonderung. Sie entfernen sich immer mehr von der Welt – symbolisiert durch das langsame hinaufsteigen von der Straße bis in den 57. Stock – und schaffen sich gar eine neue, eine andere Sprache40: eine Symbol dafür, dass ihr Zustand für diejenigen mit der alten Sprache zunehmend unverständlicher werden muss.

Das Vergehen von Francesca und Paolo ist, wie bei Tristan und Isolde, ein Ehebruch. Francesca ist Schwägerin von Paolo. Die beiden lesen an verschiedenen Nachmittagen gemeinsam einen Lancelot-Roman und können, als sie in dessen Liebesgeschichte schwelgen, nicht mehr an sich halten: Sie küssen sich. Francescos Bruder Gianciotto tötet die beiden Liebenden, die nach ihrem Tode in die Hölle der Fleischeslüstigen verdammt werden:

Ich wußte, daß zu solchen Höllenqualen
   Verdammt die Sünder aller Fleischeslüste,
   Die die Vernunft den Wünschen unterwerfen.41

Die beiden Liebenden haben sich also auch hier, wie es schon bei allen vorhergehenden Paaren als auch bei Jan und Jennifer herausgestellt wurde, nicht der Gesellschaftsraison, der Vernunft ergeben, sondern ihre eigenen Wünsche ausgelebt. Außerdem finden wir erneut das Motiv der sich dehnenden, beziehungsweise stillstehenden Zeit, welches zugegebenermaßen nur zwischen den Zeilen hindurchschimmert. Die gewöhnliche, alltägliche Beschäftigung von Francesca und Paolo war das gemeinsame Lesen. Und gerade diese Konstante wird beim Erkennen der gegenseitigen Liebe durchbrochen. Francesca: An jenem Tage lasen wir nicht weiter.42

In der Fabel von Abälard und Heloïse finden wir wiederholt ein Vergehen gegen festgelegte gesellschaftliche Rollen. Abälard war der Lehrer von Heloïse, jedoch wollte er forthin etwas mehr als Lehrmeister seyn43. Heloïse merckte endlich dieses verborgene Spiel ziemlich deutlich / und ließ Ihr nicht gäntzlich unangenehm seyn / […] bedient zu werden44. Die Geliebte wird unweigerlich schwanger und bringt einen Sohn zur Welt, woraufhin Peter Abälard ihr einen Heiratsantrag macht, den sie anfangs wohlweislich ablehnte und dem sie erst nach einigem Drängen zustimmte. Sie ahnte, dass ihres Vettern rachgieriges Gemüthe durch nichts dergleichen würde besänfftiget werden können45. Eben dieser Vetter ist es denn auch, der Abälard aus Rache kastrieren lässt. Er, der die beiden zuvor in der ganzen Stadt verleumdete, fungiert hier quasi als Richter und Henker der Liebesbeziehung. Richter, da er sich entschied, die beiden gegenüber der Öffentlichkeit zu desavouieren, und Henker, da er dem Vollzug der Liebe durch die von ihm beauftragte Kastration Abälards ein Ende setzte.

Richter und Henker in Bachmanns Hörspiel ist der gute Gott. Er setzt, nach eigenem Bekunden gemeingesellschaftliche Abkommen durch: Es geschah nur Recht.46 Wenn er, der gute Gott, gegenüber dem Richter konstatiert: Ich nehme an, Sie sind, wie die meisten heutzutage, für Massenvernichtung und nicht für Einzelvernichtung47, deutet dies auf die Gefahr hin, die er in der Liebe von Jan und Jennifer sieht. Im guten Gott von Manhattan geht es dem Richter und Henker also nicht, wie im Drama von Abälard und Heloïse, um profane Rache. Die Entscheidung des guten Gottes resultiert, nach seinem eigenen Bekunden, aus der Absicht, die Massen zu retten, die Massen vor der Massenvernichtung durch eine umstürzlerische, subversive Liebe zu retten. Folgerichtig äußert er: Mordlust ist mir fremd.48 Die Entscheidung zum Mord ist aus seiner Sicht eine rationale und nötige. Hier offenbart sich somit ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden Geschichten.

Das wohl berühmteste Paar aber, auf das verwiesen wird, ist das aus Verona: Romeo und Julia. Wieder, wie schon so oft zuvor, spielen die Umstände der Gesellschaft, in der die Liebesfabel situiert ist, eine fatale Rolle. Da beide Liebenden verfeindeten Häusern, den Capulets und den Montagues, angehören, steht ihre Liebe schon von Anbeginn unter einem dunklen Stern. Julia bedauert bereits am Ende des ersten Aktes, dass sie sich in einen Feind der Familie verliebte:

Prodigious birth of love it is to me
That I must love a loathed enemy.49

Hier fußt also die Unmöglichkeit, die Liebe zu erlangen, schon in der Anlage des Dramas. Diese Unmöglichkeit finden wir so auch in der Konstellation von Ingeborg Bachmanns Hörspiel zumindest angedeutet. Dass sich zwei Gegensätze treffen, verdeutlicht bereits das Personenverzeichnis des Hörspiels: Jan, ein junger Mann aus der alten Welt, und Jennifer, ein junges Mädchen aus der neuen Welt, heißt es da. Dass Jennifer aus der neuen Welt stammt, soll signalisieren, dass in ihr die Kräfte, eine Gesellschaft zu verändern, angelegt sind. Mit der alten Welt, aus der Jan kommt, ist die Welt, welche der gute Gott zu verteidigen trachtet, gemeint. Es wäre wohl eine Fehler, diese mit Europa und jene mit Amerika gleichzusetzen, die Betrachtung dieser Figurenbeschreibung sollte also eine allegorische sein.

Die Position des diese alte Welt verteidigenden guten Gottes wird nirgends im Hörspiel so konzis zusammengefasst wie in seinem Glaubensbekenntnis:

Ich glaube an eine Ordnung für alle und für alle Tage, in der gelebt wird jeden Tag. Ich glaube an eine große Konvention und an ihre große Macht […]. Ich glaube, daß, wo sie [die Liebe] aufkommt, ein Wirbel entsteht wie vor dem ersten Schöpfungstag.50

Die Sprengkraft der Liebe ist, dem guten Gott zufolge, ihre unfassbare Stärke. Sie hat die Kraft eine neue Welt zu schaffen, denn sie erzeugt ein Chaos, einen Wirbel, wie er vor dem ersten Schöpfungstag bestand, ist also mit anderen Worten in der Lage, aus sich heraus etwas vollkommen Neues zu schaffen. Doch dieses Neuschöpfen impliziert den Untergang des Bestehenden, der Ordnung, die der gute Gott gegen diese chaotische Kraft zu verteidigen sucht. Fischerova bringt den Satz: Es fing wieder an, mit dieser Chaosvorstellung in Verbindung.51 Ihrer Interpretation zufolge spielt er auf die Bändigung des Chaos durch Gott vor dem ersten Schöpfungstag an. So konnte dieses Chaos, einer mythischen Vorstellung folgend, nicht endgültig verbannt, sondern nur gebändigt werden, droht also jederzeit zurückzukehren. Die Furcht des bestehenden Zustands vor diesem Chaos, liege also in diesem Es fing wieder an. Diese Furcht ist die Furcht des guten Gottes.

Wie die Ausführungen hier gezeigt haben, bestehen zahlreiche Parallelen zwischen den in der Theaterszene genannten Liebespaaren und der Fabel von Jan und Jennifer. Doch findet sich in ihnen auch ein frappanter Unterschied, der Bachmanns Hörspiel von allen klassischen Geschichten abgrenzt: Die Liebenden von Manhattan sind in ihrem Tod nicht vereinigt. Weder wird ihr Tod zu einem Zusammenfinden im Jenseits hochstilisiert, noch sterben sie gemeinsam. Tristan und Isolde hingegen werden zusammen begraben, und auf ihren nebeneinander gelegenen Gräbern wachsen eine Weinrebe und ein Rosenstock, die sich mit der Zeit verschlingen und so die Verbindung der Liebenden über den Tod hinaus symbolisieren.52 Abälard und Heloïse werden nach dem Tod gemeinsam begraben und Abälard soll dem Mythos zufolge mit ausgestrecktem Arm solche [i. e. Heloïse] umbfasst und an die Brust gedruckt haben53. Jan und Jennifer hingegen sterben getrennt und Jan gewärtigt allein eine Zukunft voller Qualen. Der gute Gott stellt dazu, dass Jan überlebte, zynisch fest: Er verdient wirklich zu leben!54

Ingeborg Bachmann in einem Interview:

In den großen Liebesdramen wie etwa Romeo und Julia oder Tristan und Isolde wird der Untergang des Liebespaares durch äußere Schwierigkeiten herbeigeführt. Ich wollte diese äußeren Schwierigkeiten beiseite räumen und zeigen, daß dahinter noch etwas anderes steht, eine Macht, die ich im guten Gott personifiziert habe.55

Diese im guten Gott personifizierte Macht ist die Macht der Gesellschaft, ist der Drang Bestehendes zu erhalten, vielleicht gar die Abwehr alles Neuen. Was Ingeborg Bachmann beiseite räumte ist allerdings ein versöhnliches, beruhigendes Ende, wie es alle anderen Liebesgeschichten mutatis mutandis zeitigen.56 Das Ende der Liebenden in der modernen Gesellschaft besteht nur mehr aus Schweigen, welches denn auch das letzte Wort des Spiels ist. Somit sind Jan und Jennifer kein klassisches Liebespaare, da ihre Liebe jegliche Perspektive nach einem Tode entbehrt. Ihre Liebe zeigt die Kahlschlagtendenz einer Gesellschaft, die nicht bereit und eventuell auch nicht fähig ist, radikale Konzepte zu integrieren. Erbauliches und Versöhnliches finden wir hier nicht. Sie funktioniert viel eher getreu der Sentenz von Bertolt Brecht: Wo nichts am rechten Platz liegt, da ist Unordnung. Wo am rechten Platz nichts liegt, da ist Ordnung.57 Die Ordnung der Gesellschaft steht über der absoluten Liebe. Die absolute Liebe kann in der dargestellten Welt des Hörspiels keinen rechten Platz finden, ihr Niedergang ist unvermeidlich, sie wird eliminiert.

4 Schlussbemerkung

Abschließend kann also konstatiert werden, dass, wenn der Hörer respektive Leser einen Vergleich zwischen den in der Theaterszene erwähnten fünf klassischen Liebesgeschichten und der Geschichte Jans und Jennifers zieht, er über die Intentionen der Autorin und die Intensionen des Spiels genaueren Aufschluss erhalten kann. Ferner steht die Theaterszene wie ein Hinweisschild auf dem Weg durch das Hörspiel, denn bereits an dieser frühen Stelle wird mittels dieser Szene angedeutet, wie Jan und Jennifer enden werden. Billy und Frankie legen nämlich bei der Beschreibung der Geschichten der fünf Liebespaare aus vergangenen Zeiten vor allem Wert darauf, Grausamkeiten in den Vordergrund zu rücken58; Grausamkeiten, die auch Jan und Jennifer bevorstehen. Bemerkenswert ist die Regieanweisung am Ende der Szene: Die Musik erklingt, als hätte sie ein Zeichen für den Anfang des Theaters zu sein.59 An dieser Stelle soll also der Eindruck erweckt werden, als beginne nun dieses angekündigte Theater des Grauens. Auftreten in der nächsten Szene: Jan und Jennifer.

Wohl wahr, dass die untersuchte Textpassage nicht der einzige Ort ist, von dem aus das Spiel gedeutet werden kann. Gerade weil jedoch das Ende der Liebesgeschichte sich hier schon abzeichnet, verdient das von mir in der Einleitung erwähnte Diktum Fischerovas von einem strukturellen Zentrum des Spiels60 durchaus Unterstützung.

Einen Fehler sollte man bei der Betrachtung des Hörspiels allerdings meines Erachtens nicht machen: nämlich Ingeborg Bachmann eine radikal gesellschaftsmodifizierende Utopie konstatieren. In ihrer Dankesrede zum Hörspielpreis der Kriegsblinden äußerte sie:

Es ist auch mir gewiß, daß wir in der Ordnung bleiben müssen, daß es den Austritt aus der Gesellschaft nicht gibt und wir uns aneinander prüfen müssen. Innerhalb der Grenzen aber haben wir den Blick gerichtete auf das Vollkommene, das Unmögliche, Unerreichbare, sei es der Liebe, der Freiheit oder jeder reinen Größe. Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten.61

Utopie ist für Bachmann also immer nur das Ausloten der Grenzen und nicht deren Überschreitung. Doch durch einen steten Gang an die Grenze dehnt dieselbe sich. Durch dieses Schreiten in Richtung der Unmöglichkeit erweitern wir unsere Möglichkeiten. Dieser Utopiebegriff modifiziert eine Gesellschaft nicht radikal, aber nachhaltig. Wondratscheks Kritik Anfang der 70er-Jahre ist vielleicht auch daraus zu erklären, dass seine Vorstellungen, wie die vieler linksradikaler oder sogar linksliberaler Menschen zu der damaligen Zeit, eine wesentlich extremere war. Er vermochte offenbar nicht zu erkennen, dass Der gute Gott von Manhattan zu einer Zeit entstand, in der vornehmlich Restaurations- und weniger Modifikationsdenken in der Bundesrepublik Deutschland62 vorherrschte.

So ist denn einerseits die Liebe von Jan und Jennifer eine utopische und andererseits auch eine desillusionierte. Die Zeit der Liebe ist die Zeit des Augenblicks und ihre Zukunft ist der Tod. Wie ein Nachruf auf Jan und Jennifer, wie eine Bestätigung dieser Perspektive auf die Dinge wirken die nachfolgenden Verse aus Ingeborg Bachmanns Liedern auf der Flucht, weswegen ich auch mit ihnen schließen möchte:

Die Liebe hat einen Triumph und der Tod hat einen,
die Zeit und die Zeit danach.
Wir haben keinen.
 
Nur Sinken um uns von Gestirnen. Abglanz und Schweigen.
Doch das Lied überm Staub danach
wird uns übersteigen.63

5 Literaturverzeichnis

5.1 Quellen

Bachmann, Ingeborg: Wir müssen wahre Sätze finden. Gespräche und Interviews. Hrsg. v. Christine Koschel/Inge von Weidenbaum. München (1983); [= GuI].

Dies.: Werke. Erster Band: Gedichte, Hörspiele, Libretti, Übersetzungen. Hrsg. v. Christine Koschel/Inge von Weidenbaum/Clemens Münster. 4. Auflage, München/Zürich (1993); [= WA 1].

Dies.: Werke. Vierter Band: Essays, Reden, vermischte Schriften, Anhang. Hrsg. v. Christine Koschel/Inge von Weidenbaum/Clemens Münster. 4. Auflage, München/Zürich (1993); [= WA 4].

Brecht, Bertolt: Flüchtlingsgespräche. Berlin (1962); [= Brecht 1962].

Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Übersetzt v. Hermann Gmelin. Stuttgart (2001); [= Dante 2001].

Gottfried von Straßburg: Tristan. 3 Bde., 9. Auflage, Stuttgart (2001); [= Gottfried 2001].

Hoffmannswaldau, Christian Hoffman von: Liebe und Lebenslauf Peter Abelards und Heloißen / Abelard an Heloissen / Heloisse an Abelarden. In: Schöne, Albrecht (Hrsg.): Das Zeitalter des Barocks. Texte und Zeugnisse. 3., verbesserte Auflage, München (1988), S. 499–507; [= Hoffmannswaldau 1988].

Ovid: Metamorphosen. Epos in 15 Büchern. Übersetzt v. Hermann Breitenbach. Stuttgart (2001); [= Ovid 2001].

Shakespeare, William: Romeo and Juliet. London/New York (1980); [= Shakespeare 1980].

5.2 Darstellungen

Bartsch, Kurt: Die Hörspiel von Ingeborg Bachmann. In: Bartsch/Goltschnigg/Melzer/Schober (Hrsg.): Die andere Welt. Aspekte der österreichischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Bern (1979), S. 311–334.

Bartsch, Kurt: Ingeborg Bachmann. 2., überarbeitete u. erweiterte Auflage. Stuttgart/Weimar (1997); [= Bartsch 1997].

Bary, Nicole/Tunner, Erika (Hrsg.): Materialband zu Ingeborg Bachmanns Hörspielen. Paris (1986).

Bergsten, Gunilla: Liebe als Grenzübertritt: Eine Studie über Ingeborg Bachmanns Hörspiel Der gute Gott von Manhattan. In: Jonas, Klaus W. (Hrsg.): Deutsche Weltliteratur. Von Goethe bis Ingeborg Bachmann. Festgabe für J. Alan Pfeffer. Tübingen (1972), S. 277–289.

Best, Otto F.: Nachwort. In: Bachmann, Ingeborg: Der gute Gott von Manhattan. Hörspiel. Stuttgart (1981).

Demetz, Peter: Wie ich Ingeborg Bachmann in New York hören, aber nicht sehen konnte. In: Baumgart, Reinhard/Tebbe, Thomas (Hrsg.): Einsam sind alle Brücken. Autoren schreiben über Ingeborg Bachmann. München/Zürich (2001), S. 30–37.

Fischerova, Viola: Ingeborg Bachmanns Der gute Gott von Manhattan – ein Mythos? In: Literatur und Kritik 12 (1977), S. 279–290; [= Fischerova 1977].

Funke, Horst Günter: Zwei Hörspiele. Die Zikaden, Der gute Gott von Manhattan. Interpretation. München (1969).

Gäbler, Michael: Manhattan, Liebe und Untergang. In: Text und Kritik. Heft 6: Ingeborg Bachmann. (1964), S. 13–17.

Geier, Manfred: Die Schrift und die Tradition. Studien zur Intertextualität. München (1985).
[Ein nicht Bachmanns Hörspiel, sondern nur die Intertextualität betreffender Titel.]

Hädecke, Wolfgang: Die Hörspiele der Ingeborg Bachmann. In: Text und Kritik. Heft 6: Ingeborg Bachmann. 4. Auflage (1980).

Haideger-Pregler, H.: Ingeborg Bachmanns Radioarbeit. Ein Beitrag zur Hörspielforschung. In: Ingeborg Bachmann: L’œuvre et ses situations. Actes du colloque. Nantes (1986), S. 24–81.

Höller, Hans: Ingeborg Bachmann. Das Werk: Von den frühesten Gedichten bis zum Todesarten-Zyklus. Frankfurt am Main (1987).

Lachmann, Renate: Ebenen des Intertextualitätsbegriffs. In: Stierle/Warning 1984, S. 133–138; [= Lachmann 1984].

Lennox, Sara: Repräsentation von Weiblichkeit in Ingeborg Bachmanns Der gute Gott von Manhattan. In: Albrecht, Monika/Göttsche, Dirk (Hrsg.): Über die Zeit schreiben. Literaturwissenschaftliche Essays zum Werk Ingeborg Bachmanns. 2. Auflage, Würzburg (2002), S. 15–48.

Pfister, Manfred: Konzept der Intertextualität. In: Broich, Ulrich/Pfister, Manfred (Hrsg.): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Tübingen (1985), S. 1–30; [= Pfister 1985].

Reinert, Claus: Unzumutbare Wahrheiten? Einführung in Ingeborg Bachmanns Hörspiel Der gute Gott von Manhattan. Bonn (1983).

Scholl, Albert Arnold: Unsichtbares betörendes Spiel. Über das dichterische Hörspiel Günter Eichs und Ingeborg Bachmanns. In: Jahresring (1958/59), S. 353–360.

Šlibar, Neva: Das Spiel ist aus – oder fängt es gerade an? Zu den Hörspielen Ingeborg Bachmanns. In: Arnold, Hein Ludwig (Hrsg.): Text und Kritik. H. 6, 5. Auflage: Neufassung (1995), S. 111–122.

Stauf, Renate: Komm. Nur einmal. Komm. Epiphanieerfahrungen bei Ingeborg Bachmann. In: Braungart, Wolfgang/Koch, Manfred: Ästhetische und religiöse Erfahrungen der Jahrhundertwenden. Bd. III: um 2000. Paderborn/München/Wien/Zürich (2000), S. 29–41.

Stierle, Karlheinz/Warning, Rainer (Hrsg.): Das Gespräch. München (1984); [= Stierle/Warning 1984].

Stierle, Karlheinz: Werk und Intertextualität. In: Stierle/Warning 1984, S. 139–150; [= Stierle 1984].

Strutz, Josef: Ein Platz, würdig des Lebens und Sterbens. Ingeborg Bachmanns Guter Gott von Manhattan und Robert Musils Reise ins Paradies. In: Österreich in Geschichte und Literatur 29 (1985), S. 276–388.

Tunner, Erika: Von der Unvermeidbarkeit des Schiffbruchs. Zu den Hörspielen von Ingeborg Bachmann. In: Bary, Nicole/Paris, E. T. (Hrsg.): Materialienband zu Ingeborg Bachmanns Hörspielen. (1986), S. 300–310.

Weigel, Sigrid: Die Erinnerungs- und Erregungsspuren von Zitat und Lektüre. Die Intertextualität Bachmann-Celan, gelesen mit Benjamin. In: Böschenstein, Bernhard/Weigel, Sigrid (Hrsg.): Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Poetische Korrespondenzen. Frankfurt am Main (1997).

Wondratschek, Wolf/Becker, Jürgen: War das Hörspiel der Fünfziger Jahre reaktionär? Eine Kontroverse am Beispiel von Ingeborg Bachmanns Der gute Gott von Manhattan. In: Merkur 24 (1970), S. 190–194; [= Wondratschek/Becker 1970].

Anmerkungen

1 Wondratschek/Becker 1970, S. 191.

2 Ebd.

3 Ebd., S. 192.

4 Ebd., S. 192–194.

5 Dieser Gute Gott durchschaut wohl die Utopie, die in der Liebe von Jan und Jennifer gelebt werden soll, aber eben, weil da nicht bloßes Privatglück sein Recht verlangt, sondern weil sich in der Intensität dieser Liebe eine Konsequenz androht, die ins Gesellschaftliche übertragen, zum befreienden Chaos führt und damit zur Auflösung des ruhig ordentlichen Ganzen, versichert er via Gewalt dieses bedrohte Ganze (Ebd., S. 193–194).

6 Ebd., S. 194.

7 Ebd., S. 191.

8 WA 1, S. 294–295.

9 Fischerova 1977, S. 288.

10 WA 1, S. 294.

11 Zwischen Subtext, Hypotext, Hypertext, Anatext, Paratext, Intertext, Transtext, Text im Text […] oszilliert die Terminologie (Lachmann 1984, S. 133).

12 Vgl. Pfister 1985, S. 6–9.

13 Lachmann 1984, S. 134; Lachmann will in ihrem Aufsatz drei Perspektiven der Intertextualität unterschieden wissen: texttheoretische, textanalytische und literatur- bzw. kulturkritische.

14 Pfister 1985, S. 9.

15 Vgl. ebd., S. 15.

16 Pfister beispielsweise nahm eine Einteilung nach qualitativen und quantitativen Kriterien vor, wobei er die Qualität der intertextuellen Referenz noch einmal exakter differenzierte. (S. ebd., S. 25–30). Auch Lachmann schlägt Begriffe für eine Einzelanalyse vor, die allerdings, nach meinem Dafürhalten, einen eher explizierenden als heuristischen Charakter haben (s. Lachmann 1984, S. 136).

17 Stierle 1984, S. 140.

18 Ebd., S. 141.

19 Ebd.

20 Der gute Gott äußert in Bezug auf die Eichhörnchen gegenüber dem Richter: Sie waren mein Nachrichtendienst, die Briefträger, Melder, Kundschafter, Agenten. […] Billy und Frankie hatte ich als Hauptleute. (WA 1, S. 274).

21 Fischerova 1977, S. 288.

22 GuI, S. 86.

23 Zur Wahl der Primärtexte in der Arbeit ist zu sagen, dass sie durchaus nicht erschöpfend sein will oder kann. Viele der Liebesgeschichten bieten eine reiche Variation an Bearbeitungen und alternativen Erzählungen. So wurde beispielsweise das Schicksal von Abälard und Heloïse nicht allein von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, sondern auch von Alexander Pope (Eloisa to Abelard) dichterisch behandelt. Da eine Auswahl getroffen werden musste, habe ich mich auf Texte beschränkt, die den höchsten Bekanntheitsgrad haben und die wohl auch Ingeborg Bachmann kannte.

24 Tragen wollt’ ich das Leid, und ich hab es versucht, ich gesteh es: / Amor war stärker (Ovid 2001: 10, 25–26).

25 Ebd.: 10, 40–44.

26 WA 1, S. 314.

27 Diese Passage findet sich nur in der Hörspielversion von 1958 gegen Ende der 22. Szene, Im Zimmer des 57. Stockwerks.

28 Hier heißt es: Die auf Widerruf gestundete Zeit / wird sichtbar am Horizont (WA 1, S. 37). Das beschließende Diktum dieses Gedichts wirkt wie gemünzt auf die Geschichte von Jan und Jennifer: Es kommen härtere Tage (ebd., S. 37).

29 Ebd., S. 316.

30 WA 1, S. 317.

31 Ebd., S. 314.

32 Ebd.

33 Vgl. hierzu ebd., S. 324–326.

34 Gottfried 2001, 16789–16790.

35 Ebd., 17702–17706.

36 Vgl. hierzu meine Ausführungen weiter oben.

37 Vgl. Gottfried 2001, 16403–16678.

38 WA 1, S. 319.

39 Jan äußert, dass er keinen Beruf mehr haben und keinem Geschäft nachgehen kann [und] nie mehr nützlich sein wolle (WA 1, S. 321).

40 Ich weiß nichts weiter, nur daß ich hier leben und sterben will mit dir und zu dir reden in einer neuen Sprache (ebd., S. 321).

41 Dante 2001: Inferno 5, 37–39.

42 Ebd.: Inferno 5, 138; vgl. zur Zeitproblematik die Ausführungen auf S. 4 u. S. 5.

43 Hoffmannswaldau 1988, S. 499.

44 Ebd.

45 Ebd., S. 500.

46 WA 1, S. 306.

47 Ebd., S. 305.

48 Ebd.

49 Shakespeare 1980, S. 120.

50 WA 1, S. 318.

51 Vgl. Fischerova 1977, S. 286–287; im Hörspiel heißt es eigentlich: daß es wieder beginnt (WA 1, S. 276). Bemerkenswert, dass nicht nur in der christlichen, sondern auch in der antiken Mythologie ein Chaos, das der Schöpfung vorausging, zur gängigen Vorstellung gehört. Erst ein Gott, wer immer es war (Ovid 2001: 1, 32), bändigte dieses Chaos und schuf die Welt (Vgl. ebd.: 1, 5–68).

52 Dieses Ende der Liebe findet sich nicht in Gottfrieds von Straßburg Tristan, der ja bekanntlich unvollendet blieb, sondern nur in den Fortsetzungen von Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg.

53 Hoffmannswaldau 1988, S. 502.

54 WA 1, S. 275.

55 GuI, S. 56.

56 In Romeo and Juliet wird über eine Vereinigung der Liebenden im Tode zwar nichts Genaueres gesagt, doch wird ihr Tod zu dem Anlass, welcher letztlich zur Gesundung der maroden Gesellschaftszustände führt.

57 Brecht 1962, S. 14.

58 Orpheus, […] zerrissen von verrückten Weibern; Tristan und Isolde – Stück von […] einem langen schmerzhaften Sterben; das süße Sterben des schönen Romeo und seiner Julia […]. Mit Grüften […] und viel Feindlichkeit als Versatzstücken etc. (WA 1, S. 294–295).

59 Ebd., S. 295.

60 Fischerova 1977, S. 288.

61 WA 4, S. 276.

62 Ingeborg Bachmann stammte zwar aus Österreich, doch ihre Hörspiele fanden insbesondere in der BRD Verbreitung.

63 WA 1, S. 147.